Vor dem Hintergrund aufflammender Hungerkrisen, der Spekulation mit Grundnahrungsmitteln und der lauter werdenden Forderung nach Ernährungssouveränität stellen sich drängende Fragen: Wie sprechen wir über Essen und welche Auswirkungen diese Diskurse auf die Zukunft unserer Ernährung haben könnten? Welche Rolle spielt dabei die Kalorie und braucht es einen Paradigmenwechsel, um mit der thermodynamischen Annahme vom Körper als Motoren zu brechen und anders über Produktion und Konsumtion von Lebensmitteln zu sprechen? Wie beeinflussen Spekulationen und Handelspraktiken auf den Getreidemärkten die Verfügbarkeit und den Preis von Grundnahrungsmitteln? Welche Auswirkungen haben diese Mechanismen auf die Ernährungssicherheit und die Verteilung von Ressourcen weltweit?
Zum Auftakt der Gesprächsreihe Struktur & Wandel diskutierten der Wirtschaftsgeograph Prof. Jörg Gertel und die Historikerin Dr. Nina Mackert (beide Universität Leipzig) zu diesen Fragen und lieferten passende Antworten. Dabei stellten sie die Zusammenhänge von menschlichen Energiebedarfen und den Produktions- und Handelsmechanismen in der globalisierten Nahrungsmittelwirtschaft her.
Anhand kulturhistorischer Rückbezüge auf die Einführung des Kaloriezählens (oder der sogenannten Schrebergärten) betonte Nina Mackert deren prägenden Einfluss auf die Bewertung und Standardisierung von Körper(bildern) und Eigenverantwortung individueller Ernährungspraktiken. Jörg Gertel verwies in Bezug auf Nahrungsmittelspekulation und Hungerkrisen auf die bestehende Forschung, die eindrücklich zeige, dass Hunger durch fehlende Kaufkraft und nicht durch mangelnde Produktion entstehen würde. Demnach würde Hunger vielfach politisch instrumentalisiert.
Zusammenfassend wurde deutlich, dass sowohl die Preisbildung von Lebensmitteln als auch der Umgang mit Kalorien von globalen Machtstrukturen, technologischem Fortschritt und politischen Interessen beeinflusst werden. Das hat direkte Auswirkunen darauf, wie wir über Ernährung und Lebensmittelkonsum sprechen und auch in Zukunft sprechen werden.