Gesprächsreihe: Struktur & Wandel

Gesprächsreihe: Struktur & Wandel

© Werkleitz, Foto: Michel Klehm

Alle zwei Monate veranstalten wir Vorträge, Gespräche und Podiumsdiskussionen mit Expert:innen, die sich in ihrer politischen, wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Tätigkeit mit Strukturwandel auseinandersetzen. Ob Einverständnis oder Kontroverse, Streit oder Zusammenklang – der Dialog, das Miteinanderreden steht hier für uns im Fokus. Auch mit diesem Format verlassen wir regelmäßig die hallensische Stadtgrenze, um dort zu sein, wo Strukturwandel tatsächlich stattfindet.

Krise, Korn und Kalorie
Foto: AfA

Vor dem Hintergrund aufflammender Hungerkrisen, der Spekulation mit Grundnahrungsmitteln und der lauter werdenden Forderung nach Ernährungssouveränität stellen sich drängende Fragen: Wie sprechen wir über Essen und welche Auswirkungen diese Diskurse auf die Zukunft unserer Ernährung haben könnten? Welche Rolle spielt dabei die Kalorie und braucht es einen Paradigmenwechsel, um mit der thermodynamischen Annahme vom Körper als Motoren zu brechen und anders über Produktion und Konsumtion von Lebensmitteln zu sprechen? Wie beeinflussen Spekulationen und Handelspraktiken auf den Getreidemärkten die Verfügbarkeit und den Preis von Grundnahrungsmitteln? Welche Auswirkungen haben diese Mechanismen auf die Ernährungssicherheit und die Verteilung von Ressourcen weltweit?

Zum Auftakt der Gesprächsreihe Struktur & Wandel diskutierten der Wirtschaftsgeograph Prof. Jörg Gertel und die Historikerin Dr. Nina Mackert (beide Universität Leipzig) zu diesen Fragen und lieferten passende Antworten. Dabei stellten sie die Zusammenhänge von menschlichen Energiebedarfen und den Produktions- und Handelsmechanismen in der globalisierten Nahrungsmittelwirtschaft her.
Anhand kulturhistorischer Rückbezüge auf die Einführung des Kaloriezählens (oder der sogenannten Schrebergärten) betonte Nina Mackert deren prägenden Einfluss auf die Bewertung und Standardisierung von Körper(bildern) und Eigenverantwortung individueller Ernährungspraktiken. Jörg Gertel verwies in Bezug auf Nahrungsmittelspekulation und Hungerkrisen auf die bestehende Forschung, die eindrücklich zeige, dass Hunger durch fehlende Kaufkraft und nicht durch mangelnde Produktion entstehen würde. Demnach würde Hunger vielfach politisch instrumentalisiert.

Zusammenfassend wurde deutlich, dass sowohl die Preisbildung von Lebensmitteln als auch der Umgang mit Kalorien von globalen Machtstrukturen, technologischem Fortschritt und politischen Interessen beeinflusst werden. Das hat direkte Auswirkunen darauf, wie wir über Ernährung und Lebensmittelkonsum sprechen und auch in Zukunft sprechen werden.

Aufgeheizt! Wer? Macht. Energiewende?
© Werkleitz, Foto: Michel Klehm

In Mitteldeutschland ergeben sich durch den Strukturwandel grundlegende Fragen hinsichtlich neuer Knotenpunkte der Wärme- und Energieproduktion. Diese stellen die Kommunen und Bürger:innen vor Herausforderungen und einen grundlegenden Wandel. Anlässlich der Ausstellung Ganz andere Wärme thematisiert die AfA-Gesprächsreihe Struktur & Wandel hitzige Debatten um diese Veränderungen.

Das zweite Podiumsgespräch unserer Reihe widmete sich den drängenden Fragen zur Umsetzung einer sozialgerechten und ressourcenschonenden Energiewende. Dazu diskutierten Prof. Katja Müller von der Hochschule Merseburg und Manja Rothe-Balogh vom Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende (KWW) über die Bedeutung von Dialog und gesetzlichen Regelungen, die Rolle von Kommunen und die Notwendigkeit, Wirtschaftsinteressen mit Gemeinwohl zu vereinen. Für die Gesprächspartnerinnen spielten verschiedene Gerechtigkeitsaspekte sowie die Beteiligung der Zivilgesellscahft eine zentrale Rolle.

Für den Fortschritt der Energiewende benötigt es sehr viel Fläche. Die Diskussion beleuchtete daher auch die Spannungen zwischen Stadt und Land, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für Energiegewinnung und die damit verbundene Spekulation und finanzielle Aufwertung von Land. Katja Müller plädierte deshalb dafür, nicht nur den Dialog mit Beteiligten zu suchen, vielmehr müsste der Gesetzgeber klare Vorschriften hinsichtlich der finanziellen wie strukturellen Beteiligung schaffen. Das helfe auch, um den Wettbewerb konkurrierender Energieunternehmen um Land sozialgerecht abzufedern und kontrollierbar zu machen. Im Windenergiebereich würde das bereits schon besser geregelt. Bei den großflächigen Photovoltaikparks (außerhalb des EEG) fehlte hingegen noch eine entsprechende und eindeutige Gesetzgebung, führt die Professorin aus.
Für Manja Rothe-Balogh sollten vor allem die Kommunen zentraler in die Energiewende eingebunden werden und, wie es bereits bei der Wärmewende vorgesehen ist, als Kümmerer auftreten (mit entsprechender Unterstützung durch Bund und Länder, sowie städtischen Kommunen). Denn eine Wende im Energie- und Wärmesektor sei aus ihrer Sicht ohne Dialog nicht zu denken und müsse ebenso als gesamtgesellschaftliche Mamutaufgabe gelöst werden.

Wer am Ende die Energiewende dezidiert umsetzt, konnte im Gespräch nicht vollständig geklärt werden. Sicher ist jedoch, dass der größte Antreiber der Transformation die Gesellschaft selber ist.

Das Gespräch moderierte Felix Kolb.