Auch die finanzielle Seite wurde immer wieder als Referenz herangezogen, schließlich stellt der Bund mit 40 Milliarden Euro bis 2038 eine große Menge Geld bereit, die in den Wandel fließen sollen. Im Vergleich der beiden Standorte wurde klar: regional und lokal schafft die Förderung noch einmal völlig unterschiedliche Ausgangssituationen. Während die Summen in der Lausitz ermöglichen, das Narrativ mit einer “Goldgräberstimmung” zu unterfüttern, so Everts, könne sich Halle das mit einem Bruchteil der Gelder noch nicht leisten.
Ludger Gailing machte klar: Ja, wir dürfen über Boom sprechen, die großen Projekte sprächen für sich. Eine solche pro Kopf Förderung in eine ländlich geprägte Industrieregion sei einmalig.
Aber Strukturwandel ist mehr als neue Jobs
Jetzt ginge es um Festivalisierung und weiche Standortfaktoren, damit Menschen nicht nur kommen, sondern bleiben wollen, betont der Raumplaner aus Cottbus. Doch wer wird dabei mitgedacht? Anerkennungsgerechtigkeit sei hier zentral, also auch bereits Zugezogene, Frauen, Junge und Ältere als Gestalter*innen des Wandels anzuerkennen. Soziale Themen wie Demokratie- und Antirassismusförderung? In Cottbus sei für diese Bereiche der Begleitforschung bisher kaum ein Posten im Milliarden-Topf vorgesehen, so Gailing.
Jonathan Everts sieht in den hohen Fördersummen langfristig eine Herausforderung, da es Ostdeutschland an einer „Erbengeneration“ mangele und Reichtum knapp sei. Die Großprojekte seien deshalb auch riskant, wenn deren zukünftige Finanzierung weiterhin von Bundesmitteln abhänge und das Land keine zusätzlichen Gelder bereitstelle.
Nichtsdestotrotz: Projekte wie "Revierpionier" und Werkstattformate zeigten, dass es möglich ist, mit kleinen Förderungen große Effekte zu erzielen. Und während Sachsen stark auf wenige Prestigeprojekte setze, betone man in Sachsen-Anhalt wie in Brandenburg die Notwendigkeit kleiner, regionaler und partizipatorischer Kooperationen, merkte Everts an.
Die Pflicht ist getan, jetzt kommt die Kür.
Strukturwandel heißt also nicht nur große Summen zu verteilen, sondern sich langfristig und klug zu vernetzen und dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen auch in Zukunft kommen und bleiben wollen.
Bleibt nur die Frage: wer macht mit, damit der Boom tatsächlich und nachhaltig stattfinden kann?
Das Gespräch moderierte Mareike Pampus.